Langzeit-Ergebnisse nach PCL-Rekonstruktion und Popliteus-Bypass nach Müller

Verletzungen des hinteren Kreuzbands (PCL) und der posterolateralen Ecke des Knies führen häufig zu chronischer Instabilität.

Langzeit-Ergebnisse nach PCL-Rekonstruktion und Popliteus-Bypass nach Müller

Hintergrund: Eine oft übersehene, aber folgenreiche Verletzung

Verletzungen des hinteren Kreuzbands (PCL) machen bis zu 20 % aller Knieverletzungen aus – nicht selten kombiniert mit Schäden der posterolateralen Ecke (PLC). Bleiben solche kombinierten Verletzungen unerkannt oder unzureichend behandelt, kann es zur Entwicklung einer frühzeitigen Arthrose kommen.

Zur Wiederherstellung der Stabilität wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Techniken entwickelt. Eine davon ist der Popliteus-Bypass nach Müller, benannt nach dem ehemaligen Chefarzt der orthopädischen Klinik in Bruderholz. Die vorliegende Studie untersuchte die Langzeit-Ergebnisse dieser Methode.

Ziel der Studie

Im Fokus standen Patient:innen, die aufgrund kombinierter PCL- und PLC-Verletzungen entweder mit einer PCL-Rekonstruktion + Popliteus-Bypass nach Müller oder einer Refixation der Popliteussehne behandelt wurden. Ziel war es, das klinische und radiologische Langzeit-Ergebnis zu evaluieren – mit einem durchschnittlichen Follow-up von über 24 Jahren.

Methodik

Patienten

  • 16 Patient:innen (10 Männer, 6 Frauen)
  • Durchschnittsalter zum OP-Zeitpunkt: 32 ± 14 Jahre
  • Behandelt mit:
    • Popliteus-Bypass nach Müller (n=7)
    • Popliteus-Refixation (n=9)

Untersuchungen

  • IKDC2000, SF-36, Lysholm- und Tegner-Score, KOOS
  • KT-1000-Messung (anteroposterior)
  • Stressradiografien (AP, varus, 30°/90°)
  • Kellgren-Lawrence-Klassifikation zur Arthrosebeurteilung

Statistische Auswertung erfolgte mittels Pearson-Korrelation bei p<0.05.

Ergebnisse: Nur mäßige Ergebnisse trotz aufwendiger Techniken

Klinische Scores (Durchschnittswerte):

  • IKDC2000: B (31 %), C (44 %), D (25 %)
  • SF-36: 79 ± 20
  • Lysholm-Score: 68 ± 22
  • Tegner: von 7 (präinjury) auf 4 (follow-up)
  • KOOS:
    • Symptome: 40
    • Schmerz: 26
    • Aktivität: 18
    • Sport: 51
    • Lebensqualität: 44

Radiologische und manuelle Stabilität:

  • KT-1000 Differenz (anterior): 5 ± 5 mm
  • Posterior Stress (30°/90°): 4 ± 5 mm / 6 ± 3 mm
  • Varus-Stress: 3 ± 2 mm
  • Arthrosegrad:
    • 44 % minimale Arthrose
    • 44 % moderate Arthrose
    • 12 % schwere Arthrose (1 TEP)

Tendenzen:

  • Popliteus-Bypass zeigte geringere Laxität in der manuellen Prüfung
  • Auch in 90°-Flexion zeigte sich ein Vorteil gegenüber der Refixation – statistisch jedoch nicht signifikant

Interpretation & klinische Bedeutung

Trotz einer technisch aufwendigen Versorgung zeigen Patient:innen mit kombinierten PCL- und PLC-Verletzungen nach 20+ Jahren nur mäßige funktionelle Ergebnisse. Die Operation schützt nicht vollständig vor arthrotischer Entwicklung – möglicherweise aufgrund der hohen initialen Schädigung oder biomechanisch nicht perfekter Rekonstruktion.

Die Technik im Fokus: Popliteus-Bypass nach Müller

Die Technik umfasst:

  • Nutzung eines Iliotibialband-Flaps (alternativ: Bizepssehne)
  • Führung des Flaps durch einen tibialen Bohrkanal
  • Fixation am anatomischen Ursprung der Popliteussehne am Femur
  • Parallelführung zur Restsehne mit zusätzlicher Fixation an der Gelenkkapsel

Fazit: Realistische Erwartungen & gezielte Indikation nötig

Der Popliteus-Bypass nach Müller bleibt eine wertvolle Option zur Rekonstruktion komplexer Knieinstabilitäten – vor allem bei gleichzeitiger PCL-Verletzung. Doch auch diese Methode kann nicht in jedem Fall eine volle Funktion und Arthrosefreiheit garantieren. Die individuelle Indikationsstellung und langfristige Nachsorge sind entscheidend für den Erfolg.