Wie zuverlässig ist die Genovese-Klassifikation zur Beurteilung von Meniskusimplantaten im MRT?

Die Genovese-Klassifikation wird häufig verwendet, um Meniskusimplantate im MRT zu beurteilen. Doch wie zuverlässig ist sie wirklich?

Radiologische Beurteilung von Meniskusimplantaten: Methode mit Tücken

Die Behandlung von Meniskusschäden durch partielle Implantate aus Kollagen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Um den Behandlungserfolg radiologisch beurteilen zu können, wurde die sogenannte Genovese-Klassifikation etabliert. Sie basiert auf MRT-Kriterien, die das Implantat und das umliegende Gewebe einschätzen. Doch wie verlässlich ist diese Methode?

Ein Forschungsteam unter der Leitung von PD Dr. med. Michael T. Hirschmann hat sich genau das gefragt – und die Genovese-Kriterien im klinischen Alltag auf ihre Inter- und Intra-Beobachter-Zuverlässigkeit untersucht. Die Ergebnisse werfen Fragen auf.

Die Genovese-Klassifikation: Direkt und indirekt

Das Bewertungssystem teilt sich in zwei Kategorien:

  • Direkte Kriterien: Größe, Morphologie und Signalintensität des Kollagen-Meniskus-Implantats (CMI).
  • Indirekte Kriterien: Knorpelschäden (> oder < 50 %), Knochenmarködeme, Synovialreaktionen und Extrusion des Implantats.

Diese Kombination soll eine strukturierte und reproduzierbare Bewertung ermöglichen – allerdings gibt es in der Praxis deutliche Abweichungen in der Bewertung durch verschiedene Ärzt:innen.

Studienaufbau: Zwei Beobachter – viele Unterschiede

Insgesamt wurden MRT-Bilder von 84 Patient:innen analysiert, die ein Kollagen-Meniskus-Implantat (CMI) erhalten hatten. Zwei Fachärzt:innen – ein orthopädischer Assistenzarzt und ein muskuloskelettaler Radiologe – bewerteten die Aufnahmen zweimal im Abstand von zwei Wochen, ohne Kenntnis der früheren Bewertung oder der des jeweils anderen.

Die Ergebnisse: Mehr Unsicherheit als gedacht

Die sogenannte Intra-Class-Correlation (ICC) und der Kappa-Wert wurden verwendet, um die Übereinstimmung der Bewertungen zu messen. Die Resultate:

  • Größe/Morphologie des Implantats:
    • Intra-Observer-Reliabilität: 0.456–0.775
    • Inter-Observer-Reliabilität: 0.256–0.614
  • Signalintensität:
    • Intra: 0.469–0.651
    • Inter: 0.287–0.485
  • Knorpeldefekte:
    • Intra: 0.409–0.413
    • Inter: 0.091–0.529
  • Knochenmarködem:
    • Intra: 0.702–0.780
    • Inter: 0.667–0.808

Gerade bei den entscheidenden Parametern wie Größe und Form des Implantats zeigt sich eine nur mäßige Zuverlässigkeit. Besonders kritisch: Die Unterschiede zwischen verschiedenen Beurteilenden (inter-observer) sind teils erheblich.

Warum ist das so?

Ein Grund könnte laut der Studie in der ursprünglichen Methodik von Genovese liegen: In der Originalarbeit wurde mit MRT-Arthrografie gearbeitet – einer speziellen Technik, die in der Routineversorgung kaum zum Einsatz kommt, vor allem nicht bei beschwerdefreien Patient:innen. Das erschwert eine präzise Bewertung der Morphologie im Alltag.

Was bedeutet das für die Praxis?

Die Genovese-Klassifikation bleibt aktuell die beste verfügbare Methode zur standardisierten MRT-Beurteilung von CMI – doch sie ist mit Vorsicht zu genießen. Besonders wenn es um operative Folgeentscheidungen oder Studienvergleiche geht, sollte die eingeschränkte Zuverlässigkeit bei einzelnen Kriterien berücksichtigt werden.

Fazit: Ein gutes System – aber kein perfektes

Die Studie von Dr. Hirschmann und Kolleg:innen zeigt deutlich, dass die Genovese-Klassifikation nicht immer klare Antworten liefert. Ihre Anwendung sollte durch erfahrene Fachleute erfolgen – und am besten in Kombination mit klinischen Befunden und anderen Bildgebungsverfahren interpretiert werden.